Ersteindruck – »Blue Lock« – Fußball trifft Battle Royale (Band 1 & 2)

Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben, oder nicht.

Blue Lock - Band 1
Titel: Blue Lock
Genre: Sport, Drama
Mangaka: Muneyuki Kaneshiro, Yūsuke Nomura
Start: August 2018 (JP)
Bände: aktuell 17 in Japan
Verlag: Kazé Manga
Preis: 7,00 € pro Band

(Basis für diesen Ersteindruck sind die ersten zwei Bände.)

Yoichi ist ein normaler Oberschüler, der gerne Fußball spielt. Dies ändert sich jedoch, als er die Möglichkeit bekommt, in dem Nationalmannschafts-Auswahlverfahren »Blue Lock« teilzunehmen. Ob er es wirklich schafft, Nationalspieler zu werden? Dies wird in dem preisgekröntem Manga (u.a. Kodansha-Manga-Preis in der Kategorie »Shōnen« in 2021) »Blue Lock« beantwortet. Bevor im Jahr 2022 der Anime zum Manga erscheint, möchte ich als größter (und einziger!) Sport-Manga-Fan der Anihabara-Redaktion diese Serie unter die Lupe nehmen.

(Zusammenfassung)

Nach dem katastrophalen Ausscheiden bei der Fußball-WM 2018 suchen die Funktionäre händeringend einen Ausweg aus der sportlichen Misere. Aber was fehlt? Ein Stürmer vom Format eines Messi oder Lewandowski, der die Mannschaft zum Sieg führen kann. Um so einen Stürmer zu finden, werden die 300 besten und intelligentesten U20-Spieler aus ganz Japan in einem Trainingslager namens »Blue Lock« versammelt. Nur einer von ihnen wird es schaffen, die hermetisch abgeriegelte Anlage zu verlassen, indem er über sich selbst und alle anderen Spieler hinauswächst.

Kazé Manga

Plus Fußball, aber anders

Blue Lock - Scan 1BLUE LOCK © 2018 Muneyuki Kaneshiro, Yusuke Nomura / Kodansha Ltd.

Als Veteran des Sport-Manga-Genres kenne ich die verschiedenen Prämissen. Größtenteils verfolgt man als Leser entweder sehr talentierte oder talentlose Schüler, die im Laufe der Reihe versuchen, die Nummer 1 in ihrer Sportart zu werden. Wer genau das bei »Blue Lock« erwartet, wird überrascht sein: Autor Muneyuki Kaneshiro ist selbst großer Fußballfan und hat gemerkt, dass die japanische Nationalmannschaft zwar immer stärker geworden ist, aber noch nie einen wirklichen Top-Stürmer hatte – auch wenn Ritsu Doan und Takefusa Kubo dies in einigen Jahren ändern können. Auf dieser Prämisse basierend wurde der Manga verfasst: Wir verfolgen kein Schul- oder Profi-Team, sondern nur Stürmer. Hierdurch entstehen neue Möglichkeiten und es können Aspekte beleuchtet werden, die in normalen Fußball-Manga wie »Captain Tsubasa« oder »Days« keinen Platz finden.

Zu Beginn werden 300 Jugendliche in eine Art Internat gebracht, um gegeneinander zu kämpfen und den besten japanischen Stürmer zu kreieren. Wenn ich davon absehe, dass 300 japanische Eltern ihre Kinder einfach in ein mysteriöses Internat schicken, erinnert diese Prämisse eher an Battle-Royale-Reihen wie »Gleipnir« und ist daher sehr erfrischend. Das führt auch dazu, dass normale Fußball-Matches eher selten sind. Speziell im ersten Band werden eher Duelle zwischen den einzelnen Stürmern ausgetragen, die bestenfalls als fußballähnlich bezeichnet werden können. Im zweiten Band sehen wir wieder normale Spiele, die durch die Eigensinnigkeit der elf Stürmer auf dem Platz eine spezielle Dynamik entwickeln, sodass Passspiel oder Verteidigung eine eher untergeordnete Rolle einnimmt. Der Angriff wird zwar in den meisten Sport-Manga stärker hervorgehoben, »Blue Lock« hat im Vergleich zu den anderen Reihen aber eine bessere Begründung als »Stürmer sind cool!« für diesen Fokus.

Plus Was bedeutet Teamwork?

Blue Lock - Scan 2BLUE LOCK © 2018 Muneyuki Kaneshiro, Yusuke Nomura / Kodansha Ltd.

In »Blue Lock« werden unterschiedliche Auswahlspiele durchgeführt, um den besten Stürmer aus 300 ausgewählten Jugendlichen auszuwählen. Jeweils elf Spieler werden dabei gemeinsam in eine Art Klasse aufgeteilt. Durch die Bedeutsamkeit von individueller Qualität und da Teamwork eine untergeordnete Rolle spielt, kommt es zu vielen Konflikten. So müssen im zweiten Band die unterschiedlichen Klassen gegeneinander antreten, die schlechtesten Teams verlassen das Auswahlprogramm und dürfen nie wieder für die japanische Nationalmannschaft spielen – außer man ist selbst der beste Torschütze des eigenen Teams. Dies führt dazu, dass Spieler aus dem eigenen Team sich den Ball klauen, um selbst Tore zu schießen. In anderen Fußball-Manga machen das häufig die Bösewichte, in diesem Manga hingegen wird genau diese Spielweise belohnt. Trotzdem ist es sinnvoll, als Team gemeinsam zu gewinnen, um das eigene Weiterkommen sicherzustellen. Dies führt zu vielen Fragen, die sich die verschiedenen Charaktere in den ersten Kapiteln stellen müssen und hinterfragt das typische Sport-Plot-Device »Wir sind alle Freunde«.

Dies wird noch durch eine weitere Regel des Auswahlverfahrens weiter verstärkt: Alle Spieler werden aufgrund ihrer körperlichen sowie fußballerischen Leistungen eingestuft. Yoichi – sowie seine Teamkameraden aus Gruppe Z – sind die schwächsten Spieler mit den Nummern 300 bis 289. Sie gehen davon aus, dass ein gemeinsamer Sieg gar nicht möglich ist. Dieser Konflikt zwischen Teamwork und Individualität ist das Leitmotiv der ersten zwei Bände. Glücklicherweise bekommen wir keine klare, moralische Antwort auf die Frage, wie es andere Serien so gerne machen, sondern fragen uns selbst: »Wie sollte Yoichi am besten vorgehen?«

Yoichi selbst soll das Problem des japanischen Fußballers verkörpern. Er besitzt eine gute Technik, ist aber sehr teamorientiert und würde einem besser stehenden Mitspieler den Ball zupassen, auch wenn er selbst ein Tor schießen könnte. Der neue Trainer der japanischen Nationalmannschaft Jinpachi Ego möchte hingegen einen japanischen Cristiano Ronaldo, der für ein eigenes Tor auch eine Niederlage in Kauf nehmen würde. Hier kann eine interessante Parallele zur japanischen Gesellschaft insgesamt gezogen werden, in der Individualismus immer noch keine besonders große Rolle spielt. Die ersten zwei Bände liefern zwar noch keine Antwort wie egoistisch ein guter Stürmer (und somit eventuell auch ein guter japanischer Bürger) sein muss, sie bieten aber interessante Diskussionsansätze, die ich bei einem Sport-Manga nicht erwartet hätte.

Minus Zu wenig und zu viel

Blue Lock - Scan 3BLUE LOCK © 2018 Muneyuki Kaneshiro, Yusuke Nomura / Kodansha Ltd.

Eine weitere Eigenart vieler Sport-Manga ist die große Menge unterschiedlicher Figuren. Fußballteams bestehen aus elf Spielern. In einem Turnier mit acht Teams müssen also mindestens 88 verschiedene Fußballer gezeichnet werden. Ohne Nebencharaktere existieren in »Blue Lock« allerdings schon 300 unterschiedliche Trikotträger. Das führt zwangsweise dazu, dass nur ein sehr geringer Teil der Figuren charakterisiert werden kann. In den ersten zwei Bänden werden beispielsweise die unterschiedlichen Charaktere der Gegnerteams kaum vorgestellt. Auch in anderen Fußball-Manga treten nicht alle Gegner ins Rampenlicht, es wird aber zumindest immer eine gegnerische Figur vorgestellt. Das macht »Blue Lock« nicht. Es werden ein bis zwei gegnerische Spieler namentlich vorgestellt, damit sie ein Tor schießen können, wirkliche Charaktereigenschaften erhalten sie aber nicht. Zu Beginn ist dies kein großes Problem, weil die internen Team-Konflikte des Z-Teams um Yoichi im Vordergrund stehen. Im Laufe der Geschichte muss aber eine Möglichkeit gefunden werden, die Antagonisten nicht als leere Hüllen darzustellen. Eine Möglichkeit, die sicherlich auch genutzt wird, sind andere Duellmöglichkeiten als typische Fußballspiele mit 20 Feldspielern und zwei Torhütern.

Ich war mir auch nicht sicher, ob ein Fußball-Manga ohne Torhüter, Mittelfeldspieler und Verteidiger funktionieren kann, weil diese unterschiedlichen Positionen verschiedene Möglichkeiten der Charakterentwicklung bieten. So versuchen Stürmer größtenteils neue Schusstechniken oder Dribbeltechniken zu entwickeln, um Tore zu schießen, ohne die sie ihre Bedeutung für das Team verlieren. Ein Torhüter hingegen ist die Stütze eines Teams und muss deshalb beispielsweise mit Fehlern klarkommen, die zu einer Niederlage geführt haben. Am Ende des zweiten Bandes kann man erkennen, dass ein Fußballspiel komplett ohne die unterschiedlichen Positionen nicht möglich ist. Mangaka Kaneshiro nutzt dies, um die Charaktereigenschaften der Figuren von Team Z weiterzuentwickeln.

Das funktioniert bisher aber nur bedingt. Die elf Hauptfiguren des Teams werden trotz einer relativ langen Exposition kaum vorgestellt, sodass diese bisher nur als Sport-Manga-Archetypen wie der »aggressive Mitspieler« oder der »nette, schüchterne Freund« dargestellt sind. Da die Stärke vieler populärer Sport-Serien wie »Haikyu!« oder »Kuroko’s Basketball« die Nebencharaktere sind, ist fraglich, ob »Blue Lock« in diesem Punkt mit diesen Serien mithalten kann. Dies wird sich hoffentlich im Laufe der Geschichte ändern, wenn ein Großteil der Spieler aussortiert wurde.

Fazit:

Ich hatte sehr hohe Ansprüche an »Blue Lock«, weil sehr viele meiner Freunde die Reihe gelobt haben. Meine Skepsis bezüglich der Kombination von Fußball und Battle Royale wurde relativ schnell aufgebrochen, da Autor Muneyuki Kaneshiro die Prämisse sehr gut durchdacht hat. Die besten Aspekte beider Genres sind hier kombiniert. Trotzdem ist es auch nach zwei Bänden sehr schwierig zu sagen, ob die bisher eher schwachen Charaktere die Serie wirklich tragen können. Wer gar nichts mit Fußball anfangen kann, wird mit »Blue Lock« wohl trotz des Battle Royale-Konzepts einige Probleme haben. Allen anderen kann man diesen Manga aufgrund des frischen Konzepts empfehlen!

Rezensionsexemplar - Kazé Manga

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