Ersteindruck – »Spy × Family« – Patchwork-Familie im goldenen Zeitalter der Spionage

Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben, oder nicht.

Spy x Family
Titel: Spy x Family
Genre: Action, Comedy
Studio: Wit Studio, CloverWorks
Start: 09. April 2022
Episoden: 25 à 24 Minuten
Publisher: Crunchyroll
Preis: Im Simulcast-Abo

(Basis für diesen Ersteindruck sind die ersten drei Episoden.)

Allein die Ankündigung des »Spy x Family«-Anime hat bei mir, wie bei vielen anderen, schon einen immensen Hype ausgelöst. Wie könnte es auch anders sein, wenn einer der beliebtesten Manga der letzten Jahre einen Anime bekommt und dieser dazu auch noch bei Wit Studio und CloverWorks entsteht. Aber kann die Mischung aus actionreichem Spionage-Thriller und entspannter Familienkomödie auch über die Vorschusslorbeeren hinaus überzeugen?

(Zusammenfassung)

Spion Twilight stellt sich seiner bisher schwierigsten Mission: Er muss kompromittierendes Material über einen hochrangigen Politiker erlangen. Dieser lebt sehr zurückgezogen und Twilight bleibt nichts anderes übrig, als über seinen Sohn und dessen Privatschule an ihn heranzukommen. Als wäre es nicht schon schwer genug, den Anschein einer elitären Familie zu wahren, wählt er unwissentlich eine professionelle Auftragskillerin als Ehefrau und eine Telepathin als Adoptivtochter. Können die drei ihr Leben als Scheinfamilie bewältigen, ohne sich gegenseitig auf die Schliche zu kommen?

Crunchyroll

Plus Die Welt der Spionage

Das geteilte Deutschland oder fiktionalisierte Versionen davon sind mit einer der beliebtesten Schauplätze für Spionagegeschichten. In dieser Welt gilt man schon beim kleinsten Fehltritt als Spion. Es steht immer alles auf dem Spiel. Die Geschichte bleibt so selbst in alltäglichen Situationen spannend. Wenn die Kolleginnen im Büro einen seltsam finden, hat das in dieser Umgebung dieselben Folgen wie ein abgefangener Funkspruch aus deiner Wohnung. Das macht man sich hier natürlich auch zunutze.

Rein optisch überzeugt »Spy x Family« wie erwartet. Den flachen Grafikstil mit seinen großen Farbflächen und klar abgegrenzten Schatten hat Wit Studio bereits bei »Great Pretender« demonstriert. So ist es nicht überraschend, dass Chief Animator Director Kyōji Asano bei »Great Pretender« schon für die meisten Episoden diese Rolle übernahm. Sein Pendant bei CloverWorks Kazuaki Shimada entwarf zusätzlich noch die Charakterdesigns mit, was er auch schon bei Anime wie »The Promised Neverland« tat. Den flachen Grafikstil nutzen er und seine Kollegen bei CloverWorks ebenfalls häufig. Ein Match made in Heaven?

Wir müssen uns bei diesem Team keine Sorgen machen, dass die Action-Sequenzen gut choreografiert und ausgeführt sind. Auch das Comedic Timing trifft den Nagel auf den Kopf. Die Reaktionen und Gesichtsausdrücke, besonders von der kleinen Anya, sind immer für einen Lacher gut. Vor allem in den dramatischen Szenen sehen wir oft anhand von kleinen Bewegungen, was in den Köpfen der Figuren vorgeht, ohne dass sie es uns sagen müssen. Dazu gehört etwa das schnelle Richten der Frisur beim Rollentausch.

Plus Außergewöhnliche Figuren, nahbare Charaktere

Spy x Family - Screenshot 1© Tatsuya Endo/Shueisha, SPY x FAMILY Project

Der Titel »Spy x Family« und das Key Visual machen direkt klar, was der thematische Konflikt sein wird. Auf der einen Seite haben wir einen Spion, eine Gedankenleserin und eine Auftragsmörderin und auf der anderen Seite einen Vater, eine Tochter und eine Mutter. Der Kontrast zwischen Abenteuer und Familienleben bringt auch einen abwechslungsreichen Mix aus Action, Spannung und Komödie mit sich.
Der familiäre Teil wirkt bewusst gezwungen, beispielsweise als die drei mit etwas spontanem Teamwork, bei dem die Marotten ihrer Geheimidentitäten durchkommen, einen Taschendieb stellen. Herausforderungen wie Partnersuche, Elternschaft oder die Angst vor einem Test sind dagegen echt und universell. Damit kämpft auch diese Familie. Aus dem Winkel dieser besonderen Personen können wir aber ein paar einzigartige Lösungsansätze beobachten. So kann eine fliegende Gratinform mit einem gezielten Tritt aufgefangen werden. Eine Situation in der zwei Figuren dasselbe wollen, aber sich nicht sicher sind, ob die andere Person es genauso sieht, kann mit ein bisschen Gedankenlesen schnell aufgeklärt werden. Die Antworten für einen wichtigen Test kann ein Spion natürlich problemlos auftreiben. Diese Situationen sind meist eher auf der witzigen Seite und lockern die Action regelmäßig auf.

Natürlich sehen wir nicht nur das lustige, entspannte Familienleben, sondern auch die Action und Spannung der Abenteuergeschichte. So gibt es bis jetzt in jeder Folge eine Action-Szene. Durch den Ort, die Gegner und das, was auf dem Spiel steht, sind alle drei abwechslungsreich. Ich hoffe, dass das auch in Zukunft so bleibt, allerdings spricht bislang nichts dagegen. Die Spannung, aber auch der Witz, entsteht durch die Risse in der Tarnung der Figuren, die durch die Abhängigkeit von ihren „Familienmitgliedern“ entstehen. So spielt zum Beispiel Anya mit der Ausrüstung ihres Ziehvaters, was prompt zur Entführung von ihr führt. Twilight muss sie daraufhin retten.Yor ist durch ihr scheinbar nicht vorhandenes Liebesleben in Gefahr aufzufliegen. Für Twilight wird die Gefahr nicht explizit erwähnt, allerdings sehen wir wie er sein Gesicht bei jedem Feindkontakt hinter Masken, Mundschutz oder Brillen versteckt.

Mixed Langzeit-Pläne

Spy x Family - Screenshot 2© Tatsuya Endo/Shueisha, SPY x FAMILY Project

Meine größte Sorge bei »Spy x Family« ist, dass der Status quo zeitbeschränkt ist. Viele Shōnen-Anime profitieren immens davon, dass sich die Lage ständig ändert, allerdings würden hier die Figuren danach getrennte Wege gehen. Wenn die Mission vorbei ist, verlasse ich dieses Arrangement. Wenn die Familie nicht mehr als Deckung funktioniert, lass ich sie hinter mir. Da stellt sich natürlich die Frage, wie die Geschichte weitergeht, wenn die Mission erfüllt ist, falls sie jemals erfüllt wird. Es bleibt also abzuwarten, ob der Autor des Mangas Tatsuya Endō sich in eine Sackgasse schreibt und ob er da rauskommt, ohne die Grundregeln der Geschichte zu verletzen.

Die Geschichte hat im Moment auch noch den Vorteil, in jeder Episode eine neue Figur oder frische Charakter-Dynamik einführen zu können, um die Geschichte spannend zu halten. Zuerst ganz banal Anya und Twilight, dann Yor in Kombination mit Twilight und in der aktuellsten Folge das Zusammenspiel der ganzen Familie. Dieses Vorgehen kann natürlich nicht endlos weitergehen. Die Kernfamilie kennen wir nun, es werden mit Sicherheit noch einige Gegenspieler und Verbündete auftauchen, aber das kann man nicht über eine 2-Cour-Serie ziehen.

Fazit:

Abschließend bleibt zu sagen, dass die ersten drei Folgen von »Spy x Family« schon mal ein gutes Fundament gelegt haben. Die Qualität der Produktion ist unglaublich hoch. Die drei Säulen Action, Spannung und Komödie fügen sich gut ineinander und der Kontrast zwischen Familienleben und Abenteuer funktioniert für mich. Aktuell bin ich mir zwar noch unsicher, ob die Serie das Niveau über den erste Cour halten kann und in welche Richtung sich die Show in seinem zweiten Cour noch entwickeln wird, dennoch möchte ich eine klare Empfehlung für »Spy x Family« aussprechen. Selbst wenn es sich wahrscheinlich nicht zu einem Meisterwerk entwickelt, ist es ein unterhaltsamer Genre-Mix mit viel Potenzial.

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