Anime-Review: In/Spectre – In/Spektoren bei der Arbeit zuschauen

In/Spectre - Cover
Titel: In/Spectre
Genre: Mystery, Comedy
Studio: Brain’s Base
Release: 2020
Episoden: 12 à 24 Minuten
Publisher: Crunchyroll
Preis: im Abo

Crunchyroll ist schon länger in den Produktionskomitees unterschiedlichster Anime unterwegs, hat aber erst dieses Jahr angefangen, einige TV-Anime in ihrem Programm auch als »Crunchyroll Originals« zu verkaufen. Der erste Titel unter diesem Branding ist »In/Spectre«, eine Animeadaption des gleichnamigen Romans aus der Feder von Kyou Shirodaira, dessen Werke »Spiral: Bond of Reasoning« und »Blast of Tempest« in der Vergangenheit bereits Anime-Adaptionen bekamen. Vor allem »Blast of Tempest« habe ich dank seiner cleveren Figuren, guten Actionszenen und einer besonders klugen, modernen Interpretation zweier Shakespeare-Klassiker, Hamlet und The Tempest, positiv in meinem Gedächtnis abgespeichert. Umso neugieriger war ich, was Shirodaira-senseis dritte Anime-Verfilmung wohl leisten würde. Finden wir es heraus.

(Zusammenfassung)

Mit gerade einmal 11 Jahren wurde Kotoko Iwanaga von Monstern entführt. Im Austausch dafür, dass sie ihre Göttin der Weisheit würde, nahmen die Monster ihr ein Bein und ein Auge. Seitdem agiert sie als Detektivin für die Monster, damit vor allem der Frieden zwischen Monstern und Menschen gewahrt bleibt.

Fünf Jahre sind seitdem vergangen: In dem Krankenhaus, das sie aufgrund ihrer Prothesen regelmäßig aufsuchen muss, trifft sie auf einen Mann namens Kuro, der ihr buchstäblich in die Arme fällt, als er versehentlich nach hinten umkippt. Sofort verliebt sie sich in ihn, nur hat Kuro bereits eine Freundin. Zwei Jahre lang beobachtet sie Kuro bei jedem Krankenhausbesuch, bis sie mitbekommt, dass er wohl Schluss mit seiner Freundin gemacht hatte. Sie ergreift die Chance, nur um herauszufinden, dass Kuro kein normaler Mensch ist, denn als er 11 Jahre alt war, aß er das Fleisch zweier Monster: einer Meerjungfrau und eines Kudan. Dadurch wurde er unsterblich und kann gleichzeitig bei seinem Ableben nach einer neuen Zeitlinie greifen, welche aber nur geringfügig von seiner derzeitigen Zeitlinie abweicht. Nachdem die beiden aus unerklärlichen Gründen ein Paar werden, was Kuro offensichtlich nicht ausstehen kann, lösen sie gemeinsam Fälle für die Monster.

eigene Beschreibung

Handlung

Inhaltlich ist »In/Spectre« vollgestopft mit interessanten Konzepten, Ideen und Details. Alleine die Fähigkeit des Protagonisten Kuro ist unglaublich faszinierend. Er darf so oft sterben, wie er will, und kann gleichzeitig bei jedem Ableben die Zukunft ändern. Was zunächst völlig übertrieben klingt, wird dadurch negiert, dass Kuros Einfluss auf die Zukunft nicht zu groß sein darf. Persönlich stehe ich einfach total auf so überkomplizierte Superkräfte, die nicht nur daraus bestehen, dass irgendjemand eine bestimmte Kraft bekommt, sondern dass die Kraft klare Stärken und Schwächen hat.

Doch nicht nur da beweist die Serie Köpfchen. Direkt in der zweiten Episode wird klar, wie viele Gedanken der Autor sich über die einzelnen Geschichten und über die Welt machte, als Iwanaga ein Rätsel für eine riesige Schlange lösen muss, die über den lokalen Wald wacht. Eine Leiche wurde in ihren Sumpf geworfen und die Schlange ist halt gar nicht so glücklich darüber. Sie mag Abfall in ihrem Sumpf nicht. Das sehen wir daran, dass ihre Monsterlakeien aus Angst vor ihrem Zorn regelmäßig den Sumpf für sie sauber machen. Iwanagas Aufgabe ist es jetzt, die Schlange zu besänftigen, indem sie ihr erklärt, warum die Frau eine Leiche in ihren Sumpf warf. Iwanaga hat vorher fleißig Recherche zu dem Fall betrieben und versucht der Schlange eine Theorie nach der anderen aufzutischen, gerade weil die Schlange sich an den kleinsten Details stört. So entsteht ein supergut geschriebenes Wortgefecht zwischen der Schlange und Iwanaga, die diesen anfangs simpel erscheinenden Mordfall in die verrücktesten Richtungen abdriften lässt, die Iwanaga aber gleichzeitig jedes Mal enorm gut begründen kann.

Die Serie besteht nur aus solchen Wortgefechten und Exposition. Action gibt es im Prinzip gar nicht. Ich kann völlig verstehen, wenn das für den ein oder anderen langweilig erscheint, aber mich hat’s ziemlich gut unterhalten, da die Dialoge einfach verflixt gut gemacht sind – für die meiste Zeit zumindest. Denn ein großes Problem der Serie ist der zweite Arc, der in Folge vier beginnt und völlig unnötig den Rest der Serie einnimmt. Unnötig deshalb, da dies in zwei Episoden resultiert, in denen die Hauptfiguren sich über die Theorie unterhalten, wie sie sie besiegen könnten, und in zwei Folgen, die nur daraus bestehen, dass Iwanaga auf eine Tastatur hämmert. Das ist nicht mal ein Witz oder übertrieben. Der Endkampf besteht daraus, wie Iwanaga in ein Internetforum postet. Anfangs war ich der Serie wegen dem langsamen Tempo überhaupt nicht böse, gerade weil es genutzt wurde, um die Figuren und die Welt zu vertiefen.  Was ich halt persönlich gar nicht leiden kann, ist, wenn eine Serie offensichtlich meine Zeit verschwendet. Da hätte man ganz klar Stellen kürzen und danach noch einen dritten Arc einbauen können.

Charaktere

Eine Serie, die rein auf Dialoge setzt, braucht natürlich Figuren, denen man bei diesen Gesprächen auch gerne zuhört – und da punktet »In/Spectre« auf ganzer Linie. Schon bei »Blast of Tempest« war mir klar, dass der Autor definitiv dazu in der Lage ist, glaubhafte, intelligente Figuren zu schreiben. Mit Iwanaga setzt diese Serie einen neuen Höhepunkt. Sie ist so süß wie sie clever wie sie frech ist. In Gesprächen mit Kuro macht sie gerne sexuelle Anspielungen, in Diskussionen mit Monstern beweist sie ihre Intelligenz sowie Anpassungsfähigkeit und in Streit mit Kuros Ex demonstriert sie speziell ihre freche Art.

Ihr Charakter funktioniert natürlich auch nur so gut, weil die anderen beiden Hauptfiguren Kuro sowie seine Ex Saki Iwanaga so gut ergänzen. Kuro kann Iwanaga oberflächlich nicht ausstehen. Er sucht Ausreden, um nicht Zeit mit ihr verbringen zu müssen und reagiert genervt auf ihre sexuellen Avancen, trotzdem geht er mit ihr aus. Im ersten Moment mag das etwas einseitig wirken, aber auch hier sind es die Details, die uns ein größeres Bild über die Beziehung der beiden vermitteln. So zum Beispiel als beide in einem Hotelzimmer sind und auf Saki warten, um ein Vorgehen gegen den Bösewicht zu besprechen. Iwanaga nutzt die Zeit, um noch etwas zu recherchieren. Dazu hat sie ihre Prothesen abgelegt. Als es letztlich klingelt, geht Kuro zur Tür, wartet aber darauf, dass Iwanaga ihre Prothesen wieder angelegt hat. Immerhin ist das eine private Angelegenheit. Iwanaga zeigt sich ja quasi verletzlich gegenüber Kuro.

Saki ist nicht weniger komplex. Sie hatte und hat zum Teil immer noch richtig Gefühle für Kuro, weswegen sie sich hin und wieder mit Iwanaga zankt. Doch trotz dessen, dass beide einst sogar von einer Heirat träumten, konnte sie sich ihre Zukunft nicht länger mit ihm vorstellen, als sie realisierte, dass er kein normaler Mensch ist. Obwohl sie bei Ermittlungen mit Iwanaga und Kuro ständig auf Monster trifft, schafft sie es schlicht nicht, ihre Furcht vor ihnen zu überwinden und lässt deswegen auch schweren Herzens von dem Mann los, ein halbes Monster, den sie einst liebte.

Abseits von den dreien gibt es nicht wirklich viele Figuren in der Serie. Der Fokus liegt voll auf der Verbindung, die sie haben, und in meinen Augen reicht diese weitaus tiefer als in vielen Anime. Die gesamte emotionale Tiefe, die zwischen den komplexen Geschichten von ihnen durchscheint, wie sie aber auch perfektes Comedyfutter liefern und sich diese beiden Pole niemals im Weg stehen, zeugt von einem Meister seines Schaffens. Einzig und allein schade ist, dass der arschlangsam erzählte Plot in Teilen zu viel Fokus von ihnen nimmt.

Animation

Dialogstarke Romane sind schwer, in Animeform zu übersetzen, wenn man den Zuschauer nicht langweilen möchte. Schließlich kann man nicht nur zeigen, wie sich die Münder der Hauptfiguren öffnen und schließen, sondern muss visuell etwas mehr bieten. Die kreativen Köpfe bei Shaft haben jahrelang bewiesen, wie man eine nahezu ausschließlich aus Dialogen und Monologen bestehende Reihe wie das »Monogatari«-Franchise in Animeform umsetzen kann. Umso trauriger ist es, dass sich ein langjähriger Storyboarder, Key-Animator und Regisseur bei Studio Brain’s Base, Keiji Gotoh, davon wohl so gar nicht inspiriert fühlte. Zwar besteht die Serie nicht ausschließlich aus Close-ups auf Gesichter, Körperteile & Co, Einfallsreichtum sieht aber auch anders aus. Manchmal werden Theorien und Ideen von Iwanaga visualisiert, da hört es aber auch schon auf. Zum Glück für die Serie sind die Dialoge an sich schon interessant geschrieben und zumindest mich hat es deswegen nicht allzu sehr gestört, aber ich verstehe definitiv, warum die Animationen ein weiteres Element wären, was Leute abtörnt. Die eigentlichen Zeichnungen sind dabei gar nicht mal so schlecht und kommen in einem besonderen Maße an Linien daher. Gerade Haare und Falten in den Klamotten sehen dadurch echt schön aus. Mehr Alleinstellungsmerkmale fallen mir jedoch nicht auf. Gerade den Monsterdesigns fehlt es aufgrund von bewusst eingesetzter Überbelichtung enorm an Schärfe.

Sound

Zumindest hier kann »In/Spectre« nochmal ordentlich punkten. Der Soundtrack der Serie ist schlicht und ergreifend wundervoll. Akihiro Manabe ist noch ein ziemlicher Neueinsteiger in der Animeindustrie, der zuvor gerade einmal die Soundtracks zu »Last Hope« und »Late Night! The Genius Bakabon« komponierte. Mit den Musikstücken dieses Anime entführt er den Zuschauer allerdings in eine bezaubernde und magische Fantasiewelt. Die Musik ist klar angelehnt an den mystischen Klang angelsächsischer Folklore-Stücke. Nicht ganz das Gleiche, aber sollte euch der Soundtrack von »Fairy Tail« oder »WorldEnd« mit seinen britischen Folklore-Klängen zusagen, dürftet ihr hiermit definitiv euren Spaß haben.

Wie mit der Sprecherin von Iwanaga: Aus irgendwelchen Gründen passt Akari Kitōs Stimme vor allem zu etwas klein geratenen Figuren wie Nene Yashiro aus »Toilet-bound Hanako-kun« oder Nezuko Kamado aus »Demon Slayer«, die aber zugegebenermaßen nicht allzu viel spricht. Für »In/Spectre« wäre also kaum jemand besser geeignet. Auch die Vielschichtigkeit ihres Charakters bringt sie entsprechend rüber und ändert wie auf Knopfdruck perfekt den Gemütszustand. Nicht enttäuschend, aber irgendwie schade finde ich die Besetzung von Mamoru Miyano als Kuro. Miyano ist mein absoluter Lieblingssprecher und auch wenn seine Besetzung als ernste Figur nostalgisch wirken mag – seine ersten Rollen in Anime waren zum Beispiel Setsuna aus »Mobile Suit Gundam 00« oder Kuro (was für ein Zufall) aus »Kurozuka« –, muss ich heutzutage sofort an Okabe aus »Steins;Gate«, Dazai aus »Bungo Stray Dogs« oder den Manager aus »Zombie Land Saga« denken. Normalerweise ist Miyanos Performance lauthals und extravagant und nicht so flüsternd und unauffällig wie hier. Wie viel Spaß man an seiner Stimme haben kann, merkte ich jedes Mal beim Ending der Serie, welches von ihm gesungen wird und so viel charmanter klang als Kuro selbst.

Fazit

Handlung: Charaktere: Animation: Sound: Gesamt:
7 / 10 9 / 10 6 / 10 8 / 10 77 / 100

»In/Spectre« besticht mit interessanten Ideen und Figuren, weiß aber nicht, wann genug ist und verschwendet daher zu oft die Zeit des Zuschauers. Insgesamt bin ich immer noch zufrieden mit dem Anime, denke aber, dass er viel besser hätte sein können. Sollte eine zweite Staffel irgendwiann möglich sein, sehe ich einen potenziellen Hit, aber so wie jetzt muss man viel Geduld mitbringen, um dafür aber einen tollen Soundtrack und wunderbar geschriebene Dialoge genießen zu können.

Plus Minus
  • verflixt gut geschriebene Wortgefechte
  • komplexe Figuren mit Grips, Charme & Witz
  • mystischer Soundtrack angelehnt an angelsächsische Folklore
  • unnötig ausführlicher zweiter Arc
  • uninspirierte Animationen nebst starren Dialogen

Ähnlich: Bakemonogatari, Gosick

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