Anime-Review: Princess Principal – Reinster Flickenteppich oder ein Unikat sondergleichen?

Princess Principal - Cover
Titel: Princess Principal
Genre: Action
Studio: Actas, Studio 3Hz
Release: 2017
Episoden: 12 à 24 Minuten
Publisher: Anime on Demand
Preis: im Simulcast-Abo

Seit »Princess Principal« am 24. September 2017 sein Ende in Form eines Cliffhangers entgegenging, wird in dessen Community ein Thema besonders heiß diskutiert: Existieren die Lücken im Erzählstrang nur deswegen, um es sich mit einer potenziellen zweiten Staffel einfach zu machen? Die Ankündigung einer Fortsetzung in Form einer Animefilmreihe Anfang Mai 2018 (wir berichteten) für kommendes Jahr heizte die Diskussion nur noch weiter an. Ob die sechs Filme nun allerdings in genau diese Kerben schlagen, das Abenteuer um Ange, Charlotte & Co. gewohnt in bruchstückhafter Weise weiterführen oder vielleicht sogar beide Ansätze verfolgen, wissen nur die Produzenten selbst. Zeit für uns also, das Agenten-Drama genauer auszuchecken.

(Zusammenfassung)

Ende des 19. Jahrhunderts setzte die Entdeckung des Anti-Schwerkraft-Minerals Cavorite eine technologische Revolution in Gange, welche gigantischer Luftschiffe und andere großartige Erfindungen hervorbrachte. Dank seines Monopols auf Cavorite gelang es dem Königreich Albion jedoch schon bald, das Machtgefüge der Welt auf einen Schlag zu verändern. Allerdings war Albion nach einer blutigen Revolution des Volkes gegen die herrschenden Eliten in Ost und West gespalten. In Folge entzweit die Londoner Mauer nunmehr das Land.

Doch damit soll jetzt Schluss sein: In der Republik verfolgt man den Plan, dessen Spionin Ange mit der bildschönen Prinzessin des Landes Charlotte auszutauschen. Eine Gruppe Mädchen operiert zu diesem Zweck undercover von der renommierten Queen’s Mayfair School aus. Doch Charlotte und Ange haben ihre eigenen Pläne: Charlotte agiert fortan als Spionin im Gegenzug für Hilfe beim Erlangen des Throns.

Handlung

»Princess Principal« mischt britische Geschichte des viktorianischen Zeitalters zur Zeit der industriellen Revolution mit der Frage, was geschehen wäre, wenn sich das Land in Folge einen Kriegszustand wie Deutschland in Ost und West gespalten hätte. Der überraschend politische Agenten-Thriller spielt folglich in einem fiktiven Steampunk-London. Seine Geschichte erzählt es anachronistisch mit einzelnen dem Handlungsstrang entnommenen Bruchstücken, die ohne Ausnahme eine Mission im Zentrum haben. Storytelling 101 – ein Muster gibt es trotzdem: Nachdem sich der Anime auf der Zeitachse vorgewagt hat, widmet er sich direkt wieder der Vergangenheit. Eine Ausnahme gibt es trotzdem: Zugunsten der Dramaturgie erzählt »Princess Principal« sein Ende wieder linear. So wichtig ist die logische Abfolge aber auch nicht, immerhin wird World Building überwiegend über die Charaktere und ihre Vorgeschichten betrieben. Bestimmte Charaktere stehen dabei je nach Episode im Fokus. Mit diesen Charakterfolgen umschifft die Serie auch den Großteil der Probleme, welche mit episodischen Erzählweisen einhergehen. Dennoch startete die Serie mit einem natürlichen Zeitlimit getrieben durch Langeweile aufgrund immer gleicher Form der Folgen. So sind mehr als 12 Folgen einfach nicht drin, jedoch jede Menge unerzählte Passagen und ein offenes Ende für eine Fortsetzung. Wiederschauwert hat »Princess Principal« aber allemal: In seinen Episoden werden immer wieder Geschehnisse angedeutet, die im Licht späterer Folgen mit neuen Infos zum großen Ganzen in einem ganz anderen Licht erscheinen.

Charaktere

»Princess Principal« setzt auf einen komplett weiblichen Hauptcast, das ist klar. Wie wichtig Charakterentwicklung für diese Serie ist, haben wir auch bereits deutlich gemacht. Aufgebaut auf ihren inneren Konflikten sind die Charaktere aber tatsächlich bereits von Beginn an auffallend rund. Spoilerarm ausgedrückt: Es hat einen Grund, weshalb sich jemand Fähiges wie Ange hinter Lügen einmauert und vorzugsweise alleine agiert. Abgesehen von Etikette und Idealismus fühlt sich Prinzessin Charlotte wie eine leere Hülle. Die Vergangenheit, die sie verbindet, lässt es wie das Natürlichste auf der Welt wirken, dass sie die Nähe zueinander suchen. Dorothy sah sich gezwungen, früh auf eigenen Beinen zu stehen, aber versteckt ihre eigene Unsicherheit hinter ihrem Auftreten als Femme fatale sowie als Mutterersatz der Gruppe. Beatrice vergöttert Charlotte, ja. Grund dafür ist allerdings der Missbrauch ihres Vaters als Versuchskaninchen in ihrer Kindheit, und das hochstilisierte Samurai-Mädchen Chise hat nicht nur Probleme, sich an die fremde Kultur zu gewöhnen. Sie findet sich schon bald in einem Konflikt zwischen Ehr- und Pflichtgefühl sowie ihrer naiv-kindlichen, individuellen Wünsche wider. Was fehlt sind ein Antagonist, der nicht bloß als Puppenspieler im Hintergrund agiert, und eine ganzeinheitliche, politische Betrachtung, welche Aufschluss über die Motive der verschiedenen Parteien geben würde.

Animation

»Princess Principal« setzt das Steampunk-Thema angesiedelt im viktorianischen London auch animatorisch graziös um. Zahnräder, Verschnörkelungen, viele Kupfertöne: You name it! Daneben mischen sich aufwendige Charakterdesigns basierend auf den Entwürfen von Keichi Sigsawas Haus-Illustrator Kouhaku Kuroboshi mit absichtlich unsauberen Outlines. Die raue Umgebung profitiert davon. Nachteil des Ganzen: In Nahaufnahmen sieht der Stil unscharf aus. Sind saubere Outlines und durchgängige Linienführung anderswo also Zeichen guter Animation, setzt »Princess Principal« den Maßstab etwas höher an. Darauf hat man bei »Princess Principal« allerdings überwiegend ein Auge. Nicht nur deswegen fällt diese Produktion sehr hochwertig aus: Viele Handlungsorte fordern viele Hintergründe. Unter dem Gesichtspunkt stellt schon ein konsistentes Qualitätsniveau ein nicht zu verachtendes Problem dar. Nichts, woran der Anime ins Straucheln gerät. Obendrauf gibt’s flüssige Bewegungen in kämpferischen Auseinandersetzungen zu bestaunen, jede Menge Partikeleffekte wie Staubkörner, Rauchschwaden und Schneeflocken zu bewundern und auf passables CGI in einem Gefecht auf Gleisen zu blicken.

Sound

»Princess Principal« ist musikalisch, was »Noir« für Attentäter-Anime war: Ganz in Manier der angestaubten Girls-with-Guns-Trilogie von Bee Train ist Yuki Kajiura endlich wieder in der Position schwere Geschütze aufzufahren. Kommt bei verdeckten Operationen klassische Jazz-Melodik rund um Trompete, Klavier & Schlagzeug zum Einsatz, regelt eine Bassline gepaart mit Geigen wie schon in »Noir« kämpferische Auseinandersetzungen. Pointiert wird das Ganze – wie man es von der 53-Jährigen erwarten – von Trance-Sängerinnen. Aber den ultimativen Wumms, der startenden Düsenjet Konkurrenz macht, haben die Schwarzpulver-Knarren vergangener Jahrhunderte drauf – eine Entscheidung, welche für ein viktorianisches London absolut Sinn ergibt. Das Gegengewicht bildet gerne auch als Instrumental-Version in der Folge selbst das Ending »A Page of My Story« komponiert von Ryo Takahashi – ein recht junger Komponist, welcher schon bei »ACCA: 13-Territory Inspection Department« einen großartigen Jazz-Soundtrack ablieferte. Dieses Ending klingt nicht nur wie ein heiterer, britischer Gentleman, mit über 10 Instrumenten (!) von Glockenspiel bis Tuba ist es auch ordentlich instrumentalisiert. So sind es vor allem die Kleinigkeiten wie der starke Dialekt der japanischen Delegation im Kontrast zu den Londonern, wodurch »Princess Principal« besticht.

Fazit

Handlung: Charaktere: Animation: Sound: Gesamt:
7 / 10 8 / 10 8 / 10 9 / 10 80 / 100

»Princess Principal« ist ein sympathischer Agenten-Thriller über Spioninnen, die sich in einem fiktiven viktorianischen London gegen eine ganze Nation stellen. In moderner Steampunk-Optik sind es die anspruchsvollen Charakterdesigns und ansprechenden Action-Sequenzen während der Operationen, welche immer wieder auf den hohen Produktionswert des Anime schließen lassen. Unterlegt von heißen Jazz-Tracks, Bassline-Musik und Trance-Klängen à la »Noir« sind es vor allem die Charaktere durch dessen Augen wir London und seine Bewohner kennenlernen, während sie sich mit ihren eigenen Konflikten rumschlagen. Sind Girls-with-Guns-Anime wie »Gunslinger Girl« eure Schwäche oder ziehen euch mysteriöse Politstorys magisch an, hält »Princess Principal« sicher noch ein, zwei Twists für euch bereit.

Plus Minus
  • World Buildung durch Charakterentwicklung
  • anspruchsvolle Charakterdesigns
  • durchgängige Umsetzung des Steampunk-Themas
  • kein Blick auf das große Ganze

Ähnlich: 91 Days (Anime) + Gunslinger Girl (Anime)

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