Ersteindruck – »Beastars« – eine FABELhafte Welt voller Vorurteile

Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben, oder nicht.

Beastars - Band 1
Titel: Beastars
Genre:

Slice of Life / Psychodrama

Mangaka: Paru Itagaki
Release: 2016 (JP)
Bände: laufend
Verlag: Kazé Manga
Preis: 7,50 € pro Band

(Basis für diesen Ersteindruck sind die ersten zwei Bände. Parallel zur Veröffentlichung des Beitrags stellten wir euch in einem Gewinnspiel mit freundlicher Unterstützung von Kazé die Frage: Wie heißt der Rothirsch mit den zwei Gesichtern, der die Theater-AG der Cherryton-Akademie leitet?)

Mit der Manga-Reihe »Beastars«, wo nämlich Tiere die erste Geige spielt, hat sich Kazé etwas Außergewöhnliches an Land gezogen. Doch auch die Mangaka ist außergewöhnlich. »Warum?«, das fragt ihr euch. Von der Pike auf beiseite stand ihr ihr ebenfalls als Mangaka tätiger Vater Keisuke Itagaki – bekannt für die »Baki«-Reihe. Hat sie dadurch wie er einen Faible für Wrestling entwickelt? Keinesfalls! Die rohe Gewalt in »Beastars« spielt sich in den Köpfen seiner Charaktere ab, nicht im Ring! Werfen wir also einen Blick auf ihre tierische Schöpfung!

(Zusammenfassung)

Es ist ein brüchiger Frieden, der das Zusammenleben von Fleisch- und Pflanzenfressern ermöglicht, und besonders Grauwolf Legoshi spürt immer wieder, wie seine pflanzenfressenden Mitschüler ihm mit Angst begegnen. Dabei steckt hinter seinen scharfen Klauen und dem furchteinflößenden Aussehen ein sensibler Kerl. Als jedoch sein Alpaka-Freund Tem auf brutalste Art und Weise ermordet wird, drohen Misstrauen und Vorurteile in Hass umzuschlagen …

Kazé Manga

Plus Eine Fabel, die dich frisst

Beastars - Scan 1Statt Animemädels mit Katzenohren, Hufen und Co. marschieren bei »Beastars« Tiere in Schuluniformen und mit aufrechtem Gang auf – kein typischen Setting für einen Manga also. Die Mangaka bedient sich Anthropomorphismen, dem Übertragen menschlicher Eigenschaften auf Tiere – in diesem Fall quasi eine moderne Mangafabel. Sie besuchen die Cherryton-Akademie, an der der brüchige Frieden zwischen Pflanzen- und Fleischfressern besonders deutlich wird, da vor allem ideelle Maßnahmen wie die Ausgabe von Ersatzprodukten mit den nötigen Nährstoffen in der Mensa statt Fleischgerichten ihn erhalten. Viele dieser tierischer Eigenschaften sind Metaphern auf menschliches Zusammenleben.

Das Geschehen spielt sich dabei zum größten Teil in der Theater-AG ab, die mit ihren politischen Stücken eine wichtige Rolle im Erhalt dieses Friedens spielen will. Damit inszeniert sich vor allem aber eine Person aggressiv selbst: Louis, der AG-Leiter und ein Rothirsch mit prächtigem Geweih – eine typisch menschliche Eigenschaft und etwas, das dem aufmerksamkeitsscheuen Grauwolf Legoshi nicht ferner liegen könnte. Louis‘ Ziel ist es, der Beastar zu werden – ein Vorbild der Verständigung von Pflanzen- und Fleischfressern, das einem Freifahrtsschein für wichtige Positionen in der Gesellschaft gleichkommt. Dynamiken wie diese bieten der Geschichte eine Vorlage, auf der die verschiedensten, typisch menschlichen Konflikte aufbauen können.

Vom Zeichnerischen bietet es durch wenige Panels, meist nur 3 bis 5 Stück, einen leichten und angenehmen Lesefluss. Dadurch entsteht in den Zwischenräumen viel Platz für ausdrucksstarke, semirealistische Hintergründe. So wird der Ort des Geschehens, die Cherryton-Akademie, in unterschiedlichem Licht eingefangen wie zum Beispiel in der allerersten Szene, in der der Alpakahengst Tem ermordet wird. Sie wirkt wie ein Krimi, in dem der Gejagte durch ein verlassenes, dunkles Schulgebäude hetzt, Schatten und Geräusche im Vordergrund stehen und der Täter unerkannt bleibt. Emotionen, Gestiken und Mimik der Figuren fangen die Zeichnungen akribisch ein.

Plus It’s all in your head, Legoshi!

Beastars - Scan 3Mit dem Voranschreiten der Geschichte werden die Tiere ständig mit ihren Rollenbildern konfrontiert – zum Beispiel als Tem während seiner letzten Minuten dem Mörder vorwirft: „Für euch Fleischfresser sind wir nichts weiter als Beute“. Dass ein Fleischfresser der Mörder ist, wird am nächsten Morgen unter den Pflanzenfressern der Theater-AG wie selbstverständlich angenommen. Grauwolf Legoshi leidet sehr unter diesen Rollenbildern. Die meisten haben Angst vor ihm und gehen ihm aus dem Weg. Dadurch lebt er auf dem Campus sehr zurückgezogen, spricht sehr leise und ist generell sehr sensibel. Als Mitglied in der Theater-AG gefällt es ihm aber, da die anderen so auf ihr Stück fokussiert sind, dass sie kein Misstrauen gegen ihn hegen.

Letztendlich ist es Legoshis Kampf mit sich selbst, der viel des Reizes von »Beastars« ausmacht. Dieser beginnt, als er eines Abends beim Schmierestehen für die Theater-AG seinen Jagdinstinkten folgt und für sich ungeahnte Kräfte freisetzt. Sein Verstand ringt mit seinem Instinkt, Zwergkaninchen Haru zu töten. Obwohl die Situation glimpflich ausgeht, plagt ihn das schlechte Gewissen und er befasst sich mehr und mehr mit dem Kaninchenmädchen, das an der Schule als Maneater verrufen ist. Sie hat mehr von einem Fleischfresser als Legoshi, aber beginnt ihr flittchenhaftes Verhalten zu hinterfragen, kurz nachdem Legoshi panisch aus dem Geräteraum der Garten-AG läuft, als sie zum Blowjob ansetzt. Mir gefällt dieser Wandel. Durch die vielen Bemerkungen aus seinem Umfeld, seinen Gedanken über den Mord und den Vorfall mit dem Kaninchen beschäftigt er sich viel mit sich selbst.

Fazit:

»Beastars« ist eine Art Oberschulmanga, der sich wie eine sehr popkulturelle Japano-Fabel anhand von tierischen Figuren mit Rollenbildern und Vorurteilen zu Fleisch- und Pflanzenfressern sowie im übertragenen Sinne noch wesentlich mehr mit Problemen menschlichen Zusammenlebens auseinandersetzt. Durch den Zeichenstil, insbesondere mit Schatten akzentuierten Kommunikation der Figuren untereinander, wächst ein Gefühl für die aktuelle Stimmung an der Cherryton-Schule heran. Es entpuppt sich als wahrer Nailbiter, einem zurückgezogenen, einsamen Grauwolf zuzusehen, wie er versucht, mit seinem Verstand gegen seine Instinkte anzukämpfen. Eine klare Empfehlung!

Rezensionsexemplar - Kazé

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