Anihabara-Studie 2021 – Wer hat Angst vor ’m Illegalen? (Teil 2)

Soziologen, Ökonomen, Linguisten: Bei uns im Team mischt eine Menge wissenschaftlicher Expertise und Forschungsdrang mit. Hin und wieder nehmen wir die Dinge so genau, dass wir zur Beantwortung von Fragen, die uns interessieren, gemeinsam mit euch eine Befragung aufziehen. Das sind die Ergebnisse.

Zwischen 11. März 2019 und 14. März 2019 haben wir eine Umfrage zum Thema »Anime-Streamingdienste in Deutschland« über unseren Twitter-Kanal geteilt … und die Reaktionen darauf waren wirklich überwältigend. 1044 Personen haben den Fragebogen gestartet und sogar 993 komplett ausgefüllt. Das entspricht einer Abbruchquote von gerade einmal 4,89 Prozent. In drei Artikeln verteilt auf drei Tage stellen wir euch nun endlich die Ergebnisse vor. Vorher wollen wir euch allerdings die Ergebnisse etwas einordnen:

Das Jahr 2019 war natürlich ein anderes als 2021: Wakanim agierte mit sechs bis acht Titeln je Season gerade einmal anderthalb Jahre auf dem deutschen Streamingmarkt, Crunchyroll hatte Kazé (und somit Anime on Demand) noch nicht erworben, Amazon Prime Video lizenzierte noch selbst Anime für den Simulcast und aniverse war noch gar nicht geboren. Ebenfalls kommen Verzerrungen durch die Nutzung der Plattform Twitter zur Verbreitung an sich sowie die Accounts zustande, die den Tweet zur Umfrage geteilt haben. Die drei Account mit den meisten Followern waren hierbei Crunchyroll.de (13.661 Follower), Peppermint Anime (11.157 Follower) sowie KSM Anime (9.253 Follower), weshalb von einer Verzerrung zugunst von Crunchyroll auszugehen ist.

Hinsichtlich der soziodemografischen Merkmale setzt sich die Stichprobe zu 69,2 Prozent aus Männern, 29,2 Prozent aus Frauen und 1,6 Prozent Personen diversen Geschlechts zusammen. Der jüngste Teilnehmer war 12 Jahre alt, der älteste 51 Jahre alt. Der Altersdurchschnitt betrug 23,5 Jahre. 18,1 Prozent der Befragten gaben an Schüler zu sein, 18,8 Prozent Studenten, 13,8 Prozent in Ausbildung, 39,7 Prozent berufstätig, 8,1 Prozent arbeitssuchend, 1 Prozent Hausmann/Hausfrau sowie 0,4 Prozent Rentner:innen. Es schauen 41.5 Prozent täglich Anime, gefolgt von 41,1 Prozent mehrmals in der Woche, 5,7 Prozent einmal pro Woche, 6,7 Prozent mehrmals pro Monat, 1,9 Prozent einmal pro Monat, 2,4 Prozent mehrmals im Jahr und 0,8 Prozent seltener.

Abbildung 1: Die Verteilung der soziodemografischen Merkmale in der Stichprobe im Überblick

Verteilung soziodemografischer Merkmale in der Stichprobe

Zu den weiteren Artikeln der Anihabara-Studie 2021:

Learning 4: AUSSCHLIESSLICH illegale Angebote nutzen Anime-Fans heutzutage nahezu gar nicht.

geschrieben von Shin

Im Jahr 2017 hat der YouTuber Ninotaku schon eine Umfrage zum Thema Anime-Streaming mit über 22.000 Usern durchgeführt. Das Ergebnis zeigte, dass etwa 50 Prozent aller Befragten größtenteils illegale Streaminganbieter nutzt, um Anime zu schauen. Etwa 34 Prozent der Befragten nutzte legale und nicht legale Alternativen etwa gleich häufig. Seitdem hat sich der deutsche Streaming-Markt verändert: Mit Wakanim ist ein großer, neuer Mitbewerber in den Wettbewerb getreten und auch der Streamingdienst Netflix spielt eine immer größere Rolle im Anime-Markt. Die meisten Befragungen scheitern jedoch bereits an einer differenzierten Definition von »Personen, die illegal schauen« … und auch uns stellte das vor Herausforderungen:

Abbildung 2: Besitzt du einen KOSTENPFLICHTIGEN Zugang zu einer Plattform mit Anime-Inhalten?
n = 860Besitzt du einen KOSTENPFLICHTIGEN Zugang zu einer Plattform mit Anime-Inhalten?

Werden nur die Teilnehmenden betrachtet, die regelmäßig (mindestens mehrmals die Woche) Anime schauen – das sind 82,6 Prozent unserer Stichprobe –, zeigt die Umfrage, dass über vier Fünftel der Befragten einen kostenpflichtigen Zugang zu einer Plattform mit Anime-Inhalten besitzen. Zu schlussfolgern, dass somit 18 Prozent der Teilnehmer illegal schauen, wäre aber zu einfach gedacht. Auf der einen Seite besitzen einzelne Probanden einen Netflix-Account, nutzen diesen aber primär für Realfilme und -Serien, auf der anderen Seite greifen Personen zu den legalen, kostenlosen Alternativen von Anbietern wie Crunchyroll oder ProSieben Maxx. Von den 162 regelmäßigen Anime-Konsumenten, die keinen kostenpflichtigen Account besitzen, haben 63 Prozent Crunchyroll genutzt, um kostenlos Anime zu schauen. Nur etwa 33,1 Prozent beziehungsweise 47 Personen gaben an, dass sie andere Angebote außer die aufgeführten (legalen) in den letzten 30 Tagen genutzt haben. Davon haben nur 34 (und somit 4 Prozent) ausschließlich illegale Angebote genutzt – der Anteil dieser Gruppe ist also äußerst gering. Von allen regelmäßigen Anime-Konsumenten nutzten hingegen etwa ein Drittel der Befragten zumindest teilweise illegale Angebote. Auch diese Zahl liegt unter der, die der YouTuber Ninotaku in seiner Umfrage nannte, und zeigt womöglich, dass das große Angebot der legalen Streaming-Anbieter dazu geführt hat, dass regelmäßige Anime-Konsumenten häufig nicht zu illegalen Alternativen greifen.

Learning 5: Anime-Fans besitzen im Schnitt 2,62 Abos für Anime-Inhalte und mit jedem steigt meist die Wahrscheinlichkeit weitere zu besitzen.

geschrieben von Shin

Unsere Untersuchung konnte zeigen, dass 817 von 1042 Teilnehmenden der Umfrage einen kostenpflichtigen Account besitzen. Dieser Wert zeigt, dass die Anime-Fans affiner gegenüber Streaming-Portalen sind als der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung. In einer Studie aus dem Jahr 2019 rechnete die Unternehmensberatung McKinsey hoch, dass etwa die Hälfte aller deutschen Haushalte einen Streaming-Account besitzt. 

Von 817 mit kostenpflichtigen Accounts gaben 812 an, welche Accounts sie besitzen. Dabei ist Netflix der klare Spitzenreiter: 77 Prozent der Befragten besitzen einen Account bei der Seite. 68,8 Prozent gaben an einen kostenpflichtigen Crunchyroll-Account zu besitzen, 54,3 Prozent sind Inhaber eines Amazon-Prime-Accounts. Anime on Demand mit 29,3 Prozent und Wakanim mit 30,2 Prozent liegen relativ klar auf den Plätzen 4 und 5. Alle sonstigen Anbieter (maxdome, TV Now, HIDIVE, Animax, Hulu, Fuji on Demand) besitzen nur sehr vereinzelt Abonnentens, sodass insgesamt nur 23 Abos auf allen anderen Seiten in der Umfrage angegeben wurden. Insgesamt sind das 2.129 Abonnements für Streamingdienste mit Anime-Inhalten. Das ergibt im Durchschnitt 2,62 Abos pro Befragten. Wer Geld für kostenpflichtige Abos ausgibt, gibt zwischen 0 Euro und 100 Euro aus – im Schnitt 18,18 Euro mit einem Median von 15 Euro.

Häufig müssen Publisher und Streaming-Anbieter das Argument hören, dass zu viele Webseiten existieren und dass es schwierig ist, sich alle verschiedenen Anbieter leisten zu können. Aus diesem Grund könnte man zu dem Schluss kommen, dass Fans sich auf einzelne Anbieter festlegen, um Geld zu sparen und eventuell die kostenlosen Angebote anderer Anbieter zusätzlich nutzen. Unsere Umfrage zeigt aber ein anderes Bild: Wer einen Account besitzt, besitzt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch einen weiteren Account.

Abbildung 3: Die Wahrscheinlichkeit, Wakanim abonniert zu haben, steigt, wenn man bereits Abos bei anderen Streamingdiensten abgeschlossen hat.
p Crunchyroll, Amazon Prime Video, Anime on Demand < 0.01 und p Netflix > 0.1Lineare Regression - Wakanim

Personen, die einen Crunchyroll-Account besitzen, haben beispielsweise mit einer Wahrscheinlichkeit von 41,1 Prozent einen Wakanim-Account und mit einer Wahrscheinlichkeit von 35,5 Prozent einen kostenpflichtigen Account bei Anime on Demand. Ähnliche Zahlen finden sich bei fast allen Streaming-Anbietern. So besitzen 93,5% aller Abonnenten von Wakanim einen Crunchyroll-Account sowie 56,7% einen Anime-on-Demand-Account. Diese Wahrscheinlichkeiten erhöhen sich, wenn sich mehr als ein Streaming-Account im Besitz befindet. So kann statistisch vorhergesehen werden, dass Personen mit einem Anime-on-Demand- sowie einem Crunchyroll-Account mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent auch einen Wakanim-Account besitzen.

Dies wurde mit einer linearen Regression überprüft. In der Abbildung haben wir das Verfahren zum Beispiel auf den Streaming-Anbieter Wakanim angewendet. Nur Personen, die nur einen Netflix-Account besitzen, fallen bei dieser Betrachtung etwas heraus. Dies wird daran liegen, dass der Großteil der Befragten (77 Prozent) angegeben hat, einen kostenpflichtigen Netflix-Account zu besitzen. Dies sind fast vier Fünftel der gesamten Stichprobe.

Es zeigt erneut, dass Netflix – wenigstens in der Anime-Community – ein Sonderfall ist. Es lässt sich spekulieren, ob auf der einen Seite wohl auch Personen, die dem Abomodell sonst nicht so zugeneigt sind, zumindest einen Netflix-Account besitzen, auf der anderen Seite eventuell auch Partner oder Eltern der Befragten einen Netflix-Account bezahlen, der dann mitgenutzt werden kann.

Du willst selbst einen Blick in die Daten werfen? Den kompletten Datensatz zum Download findest du hier!

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