Ersteindruck – »Tebori« & was man aus Traditionen lernen kann (Band 1)

Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben, oder nicht.

Tebori - Band 1
Titel: Tebori
Genre: Krimi, Thriller
Mangaka: José Manuel Robledo, Marcial Toledano
Start: Februar 2016 (FR)
Bände: in 3 Bänden abgeschlossen
Verlag: Cross Cult
Preis: 15–18 € pro Band

(Basis für diesen Ersteindruck ist der erste Band.)

The Last Samurai, Kill Bill, Lost in Translation: Wann auch immer japanische Traditionen in Print und Film behandelt werden, merkt man eigentlich recht schnell, ob der Autor aus Japan stammt. Das Autor-Zeichner-Gespann hinter »Tebori« sind José Manuel Robledo und Marcial Toledano und beide in Spanien geboren. Es steht der Zweifel im Raum, wie authentisch die beiden die Tradition hinter der auf maschinelle Hilfmittel verzichtende Tebori-Tätowierung rüberbringen und ordentlich in einem Comic transportieren können. Oder bleibt die Tiefe hinter den japanischen Traditionen so oberflächlich wie so manches Tattoos?

(Zusammenfassung)

Der rebellische Teenager Yoshi wird von seinem Großvater zu Seijun, einem hochangesehenen Tätowierer, geschickt. Entgegen allen Erwartungen beherrscht der Junge die Kunst des Tätowierens wie kein zweiter und kann sogar die komplizierte Tebori-Technik meistern. Zehn Jahre später verrät Seijun seinem Lehrling ein großes Geheimnis: Seine Kunden sind die Yakuza, die gefürchtete japanische Mafia. Jede ihrer Tätowierungen hat eine spezifische Bedeutung im Zusammenhang mit den Morden, die sie begangen haben. Takeshi ist einer dieser Kunden mit einer Tätowierung, die seinen ganzen Rücken bedeckt und eine seltsame Kreatur darstellt, von der man sagt, sie sei ein Vorzeichen für eine Katastrophe …

Cross Cult

Plus »Tebori« würde vieles als Manga fehlen

Tebori - Scan 1Tebori © 2016 Robledo & Toledano / Dargaud

Wenn man über die großen Unterschiede zwischen Manga und Comic nachdenkt, dann kommt man schnell auf Zeichenart und Farbe. Marcial Toledano ist in seinem Stil zum Glück wandelbar genug, um mit Manga-typischen Schraffuren und Rastern die Brücke zu japanischen Produktionen zu schlagen. Seine Panelaufteilung ist ebenfalls klassisch. Dynamik kommt in Band 1 fast nur durch den Wechsel von horizontaler zu vertikaler Ausrichtung auf. In »Tebori« ist außerdem Farbe ein wichtiger Aspekt. Neben dem offensichtlichsten Verwendungszweck, den Tattoos, setzt Toledano auf psychologische Farbwirkung. Wenn Yoshi als Seijun die Yakuza tätowiert, dann ist der ganze Raum immer in ein orangenes Licht gedämmt. Orange ist die Farbe von Neugier und Heiterkeit. Als neuer Seijun lernt Yoshi immer wieder Neues und lernt neue Seiten an sich und seinem Meister kennen. Sein Leben war schon seit seiner Jugend immer gefährlich, da er einst Teil der Bōsōzoku war – den japanischen Biker-Gangs, wie man sie zum Beispiel aus »Tokyo Revengers« kennt. In diesen Rückblenden sind die Farben meist rot und blaugrau, was für Gefahr und nüchterne Aggressivität steht. Es werden Warnfarben benutzt, um zu zeigen, dass der Weg von Yoshi ein gefährlicher ist. Ohne Gefahren in seinem Leben könnte er als Tätowierer ein normales Leben führen. Doch als Nummer-1-Tätowierer der Yakuza tränkt sich der orangene Schein merklich zu einem separierten Rotgelb, was seine ungewisse Zukunft symbolisieren soll.

Plus Die Yakuza, Tebori und der Bushidō

Tebori - Scan 2Tebori © 2016 Robledo & Toledano / Dargaud

Reue, Demut, Ehre und Loyalität. Dies sind traditionelle Werte in Japan und werden bis heute weitergetragen. In Japan entspringen diese Werte dem Bushidō – Bushi = Krieger, Dō = Weg – und wurden von den Samurai geprägt.

Die Samurai waren die Krieger Japans, die bis zur Öffnung des Landes gegenüber dem Westen ab dem Jahr 1868 noch aktiv in Japan gekämpft haben. Sie waren unter ihrem Shōgunat vereint. Der Weg des Kriegers war ihnen sehr wichtig, und diesen zu befolgen war eine Ehre und der Sinn in ihrem Leben. Sie würde lieber sterben, als ihren Ehrenkodex zu brechen. Sie lebten Jahrhunderte, bevor die moderne Welt die Insel Japans entdeckte. Sie waren auch großartige Jäger mit dem Bogen – Kyūdō. Dies ist Tradition. Auch wenn es moderne Jagdbögen gibt, wird Kyūdō bis heute ausgeübt. Dies zeigt, wie viel des Bushidō im heutigen Japan noch verwurzelt ist.

Auch wenn es die Samurai als Einheit nicht mehr gibt, wurden ihre Werte trotzdem weitergetragen. Das Erbe der Samurai findet sich auch in den Yakuza. Über die Yakuza wird oft gesagt, dass sie eine aussterbende Art und alte Traditionalisten sind. Andere Werke wie zum Beispiel »My Hero Academia« (einer der erfolgreichsten Shōnen-Manga der letzten Jahre) referenzieren das regelmäßig. Auch sie leben Bushidō, den Weg des Kriegers. Reue, Demut und Loyalität ist unter den Yakuza sehr wichtig und wer sich nicht an diesen Kodex hält, der soll bereit sein, Yubitsume zu begehen – die rituelle Selbstamputation des kleinen Fingers zur Wiederherstellung der Ehre. Yoshi fehlt jeder dieser Werte zu Anfang, doch lernt er durch seine Kunden immer mehr, diese Werte zu leben. Auch wenn er sich von den Yakuza fernhalten soll, so scheinen sie ihn, auf den rechten Weg zurückzulenken.

All diese Themen und noch einige weitere fließen sorgfältig recherchiert und um den korrekten kulturellen Kontext bemüht subtil in Robledos Geschichte ein. Als Pay-off wirken Charaktere und der zentrale Konflikt behutsam eingeführt.

Fazit:

»Tebori« trifft einen Sweet Spot zwischen europäischem Comic und japanischer Kunsttradition. Die Themen, Farben und Charaktere sind gut getroffen. Ich habe dieses Werk verschlungen und jeder, der auf Action steht, gutes Pacing der Geschichte und interessante Figuren, der sollte in »Tebori« auf jeden Fall reinlesen. Eine Finesse zu Japan muss nicht sein, schadet aber auch nicht.

Rezensionsexemplar - Cross Cult

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