Interview – Crunchyroll Deutschland (Connichi 2016)

Mikrofon ausgepackt, Ständer aufgebaut und Aufnahme: Überall, wo sich Menschen treffen, gibt es auch immer Leute, die Spannendes zu erzählen haben. Einige davon kriegen wir hin und wieder vor unsere Kamera, vor unseren Notizblock oder in Skype und Teamspeak gezogen.

Crunchyroll - Logo26.000 Besucher waren dieses Wochenende vor Ort in Kassel bei der Connichi, Deutschlands zweitgrößter Anime-Convention nach der Dokomi. Darunter auch Crunchyroll, die seit Dezember 2013 hierzulande Anime untertitelt in Deutsch anbieten. Zunächst 2006 als amerikanische Anime-Community noch ohne Lizenzen gestartet, streamt die Plattform in Deutschland mittlerweile rund 120 Anime pro Jahr. Den Grundstein dafür legten 2007 finanzielle Unterstützungen von Investoren. Im Gespräch mit uns sprach Jörg Bauer von Crunchyroll Deutschland über die Kooperation mit Kadokawa, Funimation und den deutschen Publishern. Außerdem kamen das Angebot, Regionalbeschränkungen, die Möglichkeit von Dubs in Deutschland und der Weg einer Anime-Folge bis zur Veröffentlichung zur Sprache.

In Textform:

Eine Frage, die du bestimmt schon mal gestellt bekommen hast: Was muss alles geschehen, bevor eine Folge online kommt?

Jörg Bauer: Das Ganze muss natürlich erst mal in Japan produziert werden: Das heißt, die Folge muss dort gezeichnet werden und die japanischen Synchronsprecher müssen das anschließend vertonen. Dann bekommen wir irgendwann die Videos und die japanischen Skripte geschickt und müssen erst mal schauen, wo überhaupt gesprochen wird. Jetzt erst setzen wir einen Übersetzer dran, der sich anschaut, was gesprochen wird, und schreibt das entsprechend hin. Nun schaut noch mal jemand drüber, dass derjenige, der aus dem Japanischen übersetzt hat, auch ordentliches Deutsch produziert hat. Zum Schluss wird noch mal geprüft, ob irgendwelche Fehler drin sind, dann laden wir das Ganze hoch und warten bis eine Stunde nach japanischer Erstausstrahlung, damit wir die Folge auch veröffentlichen dürfen.

Thema Amerika: Bestimmt würde es viele Fans hier in Deutschland freuen, wenn das Angebot hier in Deutschland genauso umfangreich wäre wie in Amerika. Warum ist das nicht so?

Jörg Bauer: Das hat natürlich erst mal Lizenzgründe: Dadurch dass wir lange Zeit nur auf dem englischsprachigen Markt in Amerika waren, haben wir natürlich häufig nur die Lokalisationsrechte für die USA gehabt und häufig auch nur für die Sprache Englisch. Somit fehlen viele dieser alten Serien natürlich im deutschsprachigen Raum und die liegen jetzt meist auch schon bei anderen Publishern. Jetzt, wo wir auf dem deutschsprachigen Markt sind, sammeln wir allerdings Lizenzen an – das sind immerhin etwa 120 Titel pro Jahr, die wir neu dazubekommen. Der Anstieg ist also enorm und in ein paar Jahren wird es dann hoffentlich ähnlich umfänglich sein, wie es in Amerika der Fall ist.

Ähnlich ist es natürlich bei Zusammenarbeiten wie mit Funimation, wo jetzt ein großer Katalog auch alter Titel ihren Weg in unser US-Programm gefunden hat. Es gibt aber auch noch andere kleinere Publisher, die sich dafür entschieden haben, ihre Titel bei uns zu streamen, weil es für sie keinen Sinn macht bei so wenigen Titeln. Das sind dann lokale Anbieter, die verständlicherweise keine Europarechte haben.

Wir selbst versuchen aber immer, möglichst weltweite Lizenzen zu bekommen, die dann überall außer in Asien gelten. Das klappt in letzter Zeit auch relativ gut: Jetzt mit 31 Titeln in einer Season ist das schon ein ganz ordentlicher Batzen von dem, was überhaupt läuft.

Aber Amerika hat mehr!

Jörg Bauer: Amerika hat mehr! Das liegt eben an gewissen Kooperationen. Wenn Funimation sich mit Crunchyroll zusammentut, dann bleibt halt nicht mehr viel übrig. In Deutschland ist der Markt allerdings fragmentierter. Da muss man schauen, ob sich Ähnliches entwickelt und man dann der Meinung ist, dass es sinnvoller ist, wenn man sich zusammentut, um eine einheitliche Plattform zu betreiben und die Fans sich nicht auf 5-6 Portalen rumtreiben müssen. Irgendwann heißt es dann vielleicht auch: Wenn ich einen Untertitel haben möchte, laufe ich zu Crunchyroll. Wenn ich Dubs haben möchte, gehe ich zu Funimation. Das wäre sicher aus Fansicht sehr schön, aus Anbietersicht muss man aber schauen, wie sich der Markt entwickelt – also wer sich wann, wo, wie lange zusammentut. Die Zeit wird zeigen, wie sich die Industrie hier in Deutschland entwickelt.

Du sprachst jetzt schon von der Kooperation mit Funimation. Ihr habt aber auch in Deutschland Kooperationen mit Publishern. Erzähl mal.

Jörg Bauer: Wir haben bei einzelnen Projekten wie zum Beispiel Pleadis sozusagen zusammengearbeitet, da der Titel schon bei uns lief und es entsprechend Untertitel gab. Diese haben wir dann an Anime House weitergegeben. Free oder Testament of the Sister New Devil waren Lizenzen, die wir auch für Diskreleases hatten, und dann über uns an den jeweiligen Publisher gegangen sind. Es ist also kein Problem mit uns zusammenzuarbeiten, wenn man möchte. Größeren Zusammenarbeiten, bei denen man sich auch entscheidet, das Programm zusammenzutun, sind leider noch nicht vorgekommen.

Anderes Thema: Euer Generalmanager in Amerika hat sich als Ziel gesetzt, alle Titel einer Season irgendwann einmal zeigen zu wollen. Ist das auch in Deutschland das Ziel? Wie kann man das hier erreichen?

Jörg Bauer: Man setzt sich natürlich immer die Utopie als Ziel. Alles wird wahrscheinlich nicht möglich sein, aber das Ziel ist die Weltherrschaft. *lach* Nein, das Ziel ist, möglichst viele Animes möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Deswegen haben wir auch ein kostenloses Angebot. Wenn man also kein Abo abschließen möchte, kann man sich unser Programm auch mit Werbung anschauen. Auch unsere Abogebühren sind verhältnismäßig niedrig angesetzt, um möglichst jeden Fan zu erreichen, der die japanischen Ausstrahlungen mit Untertiteln verfolgen möchte. Wenn man sich so ein hehres Ziel setzt, muss man natürlich sagen: Wenn, dann wollen wir auch wirklich alle haben. Wir wollen nicht einzelne Titel haben, die wir dann überhypen und teuer verkaufen müssen. Die Leute sollen selbst sehen, was sie am liebsten schauen wollen. Lieber ein großes Ziel und das knapp verfehlen, als ein kleines Ziel und das erreichen, oder?

In Deutschland profitieren wir von den weltweiten Lizenzen. Das ist in dem Umfang möglich, da Crunchyroll in Japan Produktionen miträgt mit dem Effekt, dass wir dann die Lizenzen nicht noch erwerben müssen. Entsprechend haben wir auch Einfluss, welche Titel in Japan erscheinen. Wir haben Kooperationen mit Kadokawa über jetzt ein Jahr, wo es heißt: Wir produzieren jeden eurer Titel. Das ist natürlich ein Wort: Alles, was du hast. In jeder Sprache. Überall. Stell dir vor, ich würde nur Luxemburg vertreten und dann auch nur diesen einen Titel eventuell kaufen. Das sind natürlich größere Ansagen. Wir hoffen natürlich auch, dass wir durch unsere Zusammenarbeit mit Funimation zukünftig auch an weltweite Lizenzen ihrer Titel kommen und dann diese Titel noch haben werden. In der Vergangenheit hieß das nämlich, dass bei Crunchyroll in Deutschland diese Titel nicht laufen werden. Wir nähern uns also auch in Deutschland der Vollständigkeit aller Simulcasts.

Startet man dann auch bald mit Dubs bei Crunchyroll in Deutschland wie in Amerika?

Jörg Bauer: Unser Markenzeichen sind untertitelte Serien. Es wird auf jeden Fall der Fokus auf japanischem Original mit Untertiteln bleiben. Aber wir sind eigentlich Synchrofreunde. Also wäre es auf jeden Fall mal cool, so einen Titel zu haben. Es ist aber ein anderer Aufwand, der dahintersteckt. Es sind auch andere Kosten, die entstehen. Das Beste wäre natürlich, wenn wir die irgendwoher bekommen könnten. Aber mal schauen, wie das aussieht. So einige Titel würde ich jedenfalls auch gerne mit deutscher Synchronspur sehen. Die Zeit wird zeigen, was wir in der Richtung anbieten können. *lach* Generell gilt, je mehr Leute bei uns schauen, umso mehr Möglichkeiten haben wir natürlich, Titel zu lizenzieren oder auch mal einen Dub zu produzieren. Je mehr reinkommt, desto mehr können wir wieder in Produktionen stecken. Schaut einfach Crunchyroll, denn wenn ihr das tut, unterstützt ihr die Entstehung neuer Anime, weil wir selber produzieren und die Hälfte der Einnahmen generell an das Studio gehen.

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