Anime-Review: Keep Your Hands Off Eizouken! – Aber lass auf keinen Fall die Finger von diesem Anime!

Keep Your Hands Off Eizouken! - Cover
Titel: Keep Your Hands Off Eizouken!
Genre: Adventure, Comedy
Studio: Science Saru
Release: 2020
Episoden: 12 à 25 Minuten
Publisher: Crunchyroll
Preis: im Abo

Masaaki Yuasa ist einer der beliebtesten Regisseure meiner Filterblase. Trotz dessen fand ich an all seinen Anime, die ich bisher sah, kein Gefallen. Ich kann »The Tatami Galaxy«, »Night is Short, Walk on Girl« und »Devilman Crybaby« für ihre künstlerische Entfaltung definitiv loben, meinem persönlichen Geschmack entsprachen die Werke jedoch nicht. Über »Japan sinkt: 2020« reden wir an dieser Stelle lieber nicht. Dennoch freue ich mich jedes Mal aufs Neue, einen Yuasa-Anime anzufangen. Immerhin will ich sie ja mögen. Und bei »Keep Your Hands Off Eizouken!« hat es dann endlich gefunkt. Warum? Das klären wir heute.

(Zusammenfassung)

Seit ihrer Kindheit hegt Midori Asakusa eine große Faszination für Anime. Dementsprechend heiß ist sie darauf, gleich zu Beginn ihrer Oberschulzeit dem Animeklub beizutreten, die noch an diesem Tag einen alten Anime in der Aula der Schule vorführen. Asakusa „überredet“ ihre Freundin Sayaka Kanamori mit ihr zu dieser Verführung zu gehen, nur um dort eine seltsame Bekanntschaft zu machen. Ein Mädchen namens Tsubame Mizusaki wird von Männern in schwarzen Anzügen verfolgt. Neugierig gehen Asakusa und Kanamori der Sache nach, nur um festzustellen, dass sie aus reichem Hause stammt und ihre Eltern nicht wollen, dass sie dem Animeclub beitritt, obwohl sie ganz wie Asakusa verliebt in Anime ist. Doch alle anderen Klubs sind erlaubt! Also kommt Kanamori mit einer cleveren Idee daher: Wieso nicht einen Filmklub gründen? Film inkludiert ja Anime. So entstand der Eizouken (Filmklub) an der Shibahama-Oberschule. Asakusa ist spezialisiert auf Hintergründe, Mizusaki kann hingegen gut Figuren zeichnen und Kanamori ist die gewiefte Produzentin. Gemeinsam arbeiten sie an ihren ganz eigenen Anime.

eigene Beschreibung

Handlung

Schon in meiner Review zu »Wave, Listen to Me!« erwähnte ich, dass ich ein Faible für Anime habe, in denen es um die Produktion von Medien geht. Zu Anime wie »Keep Your Hands Off Eizouken!«, die die Produktion von Anime behandeln, gibt es allerding klare geistige Vorgänger. Schon 2001 kam mit »Animation Runner Kuromi« eine kurze OVA raus, die hinter die Kulissen einer solchen Produktion blicken ließ. Für die meisten dürfte aber »Shirobako« 13 Jahre später augenöffnend gewesen sein. Diese beiden Titel funktionieren relativ ähnlich. Sie sind entspannte Geschichten, wie kleinere Animestudios die Produktion eines Anime mit eher kleineren Problemen stemmen, während einige Prozesse der Produktion für den Zuschauer erklärt werden. Was »Eizouken« Neues mit sich bringt, ist eine deutlich zynischere Note, die bereitwilliger auf die miserablen Umstände der Anime-Industrie eingeht. In »Eizouken« sind unsere Hauptfiguren keine Profis, sondern Oberschüler, die ohne Budget versuchen, Kurzanime zusammenzubasteln. Der Produktionsprozess wird dabei noch mal wesentlich kleinlicher betrachtet. Woher kommen Inspirationen? Wie entsteht jeder einzelne Keyframe? Was wird handgezeichnet, was am PC? Wer zeichnet was im Hintergrund? »Shirobako« klärte schon einige solcher Fragen wie »Was sind Inbetweens?« und »Wo kommen eigentlich die Soundeffekte her?«, »Eizouken« betrachtet diese Fragen aber noch mal aus einem anderen Blickwinkel. Die Soundeffekte in »Shirobako« werden in einem professionellen Studio aufgenommen. Natürlich kann sich das Trio in »Eizouken« so was nicht leisten, deshalb müssen sie sich auf Stock-Sound-Effects einer Audiobibliothek verlassen oder Tontechnikerin Doumeki raus in die Natur schicken, um dort bestimmte Sounds aufzunehmen. Dazu haben die drei natürlich auch nicht die Manpower, um Inbetweens selbst zu zeichnen, und da die Technologie in den letzten paar Jahren fortschritt, gibt es mittlerweile gute Programme, die Inbetweens selbst generieren können, worauf die Serie eingeht.

Wie schon »Shirobako« ist sich auch »Eizouken«nicht zu schade für zahlreiche Anspielungen. Hier zeigt sich Yuasas innerer Miyazaki-Fanboy. Der Anime, der Asakusa überhaupt erst so sehr für Anime begeistert hat, ist zum Beispiel eine so direkte Anspielung an »Future Boy Conan«, eine TV-Serie des Ghibli-Teams, bevor es das Studio überhaupt gab, dass ich erstaunt bin, dass es noch keine Anzeige hagelte. Auch mehrere Animationssequenzen, die unsere Hauptfiguren zeichnen, erinnerten mich an zahlreiche Ghibli-Filme. Am offensichtlichsten ist aber natürlich die Szene, in der Asakusa Miyazaki zitiert und dabei mit weißem Bart und einer von Miyazakis typischen Kitteln dargestellt wird. Ganz ehrlich, ich könnte hier noch ewig weiter abnerden, aber es sollte mittlerweile klar sein, dass »Keep Your Hands Off Eizouken!« ein Fest für Animefans besonders älterer Stunde ist und für Nerds wie mich, die sich gerne in die ganzen Produktionsdetails von Anime einlesen. Vielleicht aber auch für Leute, die schon immer mal wissen wollten, wie es denn so hinter den Kulissen aussieht?

Charaktere

Unsere drei Hauptfiguren sind mindestens genauso interessant wie der Einblick in die Animewelt, gerade da wir hier zwei Figuren haben, für die mir eigentlich keine Vergleiche einfallen: Asakusa und Kanamori. Asakusa wirkt tomboyisch und hat keinerlei Interesse an klischeehaftem Mädchenkram. Ihre Liebe zu Anime prägt ihren gesamten Alltag. Ständig greift sie zum Zeichenblock oder verliert sich in ihrer Fantasie und kommt mit einer Idee nach der anderen um die Ecke. Sie kann sich kaum auf eine Idee konzentrieren. Auch ihre Motivation schwankt ordentlich über den Tag verteilt. Schnell wird klar, dass sie unter ADHS, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, leidet, was im Anime nicht einmal deutlich angesprochen wird. “Leiden“ ist vielleicht auch das falsche Wort. Asakusa lebt letztlich nicht schlechter als die anderen Figuren, nur anders.

Kanamoris Charakter gefällt mir auch sehr gut. Im Gegensatz zu den beiden anderen Figuren besitzt sie kein zeichnerisches Talent. Sie hat auch kein Interesse am Zeichnen. Stattdessen ist sie ein Profi im Kapitalismus-Game und nutzt ihr Wissen, um als Produzentin zu unterstützen. Oftmals muss sie sich dabei kümmern, dass unsere beiden Zeichnerinnen realistisch bleiben, während sie gleichzeitig eine scharfe Zunge für Verhandlungen beweist. Auf den ein oder anderen mag ihr Verhalten gierig und ihr Charakter wie eine Karikatur wirken, doch so ist Kapitalismus: Ohne Geld kommt man nicht weit und mit zu großen Ambitionen landet man nie am Ziel. Kanamori funktioniert als Produzentin meiner Meinung nach so viel besser als die Produzenten in »Shirobako«. Trotz der verrückten Welt, in der »Eizouken« spielt, sind Kanamoris Herangehensweise und die Probleme, die sie sich stellen muss, weitaus realistischer.

Nur Tsubame ist in diesem Trio die Anime-typischste Figur, die auch in ihrem Charakterdesign den klassischen Schönheitsidealen in Anime entspricht. Begründet wird das in ihrem Fall jedoch damit, dass ihre Eltern erfolgreiche Medienschaffende sind, die sie mit fleißig Taschengeld versorgen können. Sie ist freundlich, extrovertiert, nichts unbedingt Besonderes. Allerdings funktioniert sie als Figur, weil ihre Rolle im Anime so gut funktioniert. Dadurch dass Kanamori und Asakusa eher Anime-untypische Figuren sind, erlebt man die Geschichte des Anime im Prinzip aus ihrer Sicht. Immerhin kannten sich die anderen beiden schon vorher jahrelang und sie stößt neu dazu.

Animation

Womit ich in Yuasa-Werken bisher die wenigstens Probleme hatte, war stets die Optik. Ich bin generell Fan von experimentellen Stilen in Anime und Yuasa probiert viel und gerne. »Ping Pong The Animation«, »Kaiba«, »The Tatami Galaxy« oder »Devilman Crybaby« – sie sehen alle total verschieden und einzigartig aus. Da ist es fast schon überraschend, dass »Eizouken« auf den ersten Blick beinahe Anime-typischer wirkt. Jedoch nur oberflächlich. Der Anime arbeitet mit kontrastreichen Farben ohne viel Schattierung. Würde man die Umrandungen weglassen, hätte man beinahe den Stil von Mamoru Hosoda eingefangen. Dazu hat das Character Acting in der Serie einen recht voluminösen, dreidimensionalen Eindruck auf mich gemacht, obwohl alles handgezeichnet ist. 

Der Anime hat aber noch zwei weitere Stile, die aus narrativen Gründen genutzt werden. Zum einen werden fiktive Welten im Anime mit Flash-Animation dargestellt. Die Farben sind noch stärker als im Rest der Serie und Flächen wurden nicht sauber mit Wasserfarbe ausgemalt. Zum anderen wird die Fantasie der Protagonistinnen in Skizzen und Konzeptzeichnungen dargestellt, die zum Teil viele Bleistift-Schattierungen nutzen oder die Umrandungen weggelassen. Letzteren Stil in Animation zu sehen, war für mich jedes Mal atemberaubend. Konzeptzeichnungen in Bewegung zu sehen hat einfach was an sich, was mir ein Grinsen bereitet – auch weil man diese Zeichnungen sonst eben nie so sieht.

Die Figuren in diesen Anime entsprechen seltenst den üblichen Schönheitsidealen, die Anime normalerweise verfolgen. Auch wenn die Figuren nicht realistisch aussehen, haben sie eine realistische Schönheit an sich, da eben nicht jede wie ein Supermodel aussieht. Nur funktioniert das eben nicht für jeden Animefan. Als ich bei den ersten paar Episoden von »Eizouken« in den Kommentarbereich von Crunchyroll sah, musste ich öfters mal seufzen, wenn Leute etwas schrieben wie: »Die Protagonistinnen sind weiblich?! Höchstens eine davon sieht überhaupt aus wie ein Mädchen!« Es passt auch super zu Asakusas Verhalten, dass es sie eben überhaupt nicht interessiert, wie sie aussieht, und dadurch etwas tomboyisch wirkt. Aber auch die Designs von schwarzen Figuren möchte ich loben, da sie sich von rassistischen Stereotypen wie extremst dicke Lippen fernhalten. Selbst wenn die Designs in Ordnung gehen, hat man es in Anime oft mit rassistischem, stereotypem Verhalten zu tun – man siehe so jemand wie Musa in »Run With The Wind«, in meinen Augen ein großartiger Anime, nur Musas Charakter ist halt … na ja. Da hält sich »Eizouken« zum Glück komplett fern von und zeigt besonders mit Doumeki, wie man es richtig macht.

Sound

Als ich auf den Komponisten der Serie, Oorutaichi, bei Anime News Network klickte und sah, dass er nur drei Einträge hat, unter anderem als Komponist für »Kick Heart«, einen Kurzfilm von Yuasa, war ich überrascht. Mit ein bisschen Hilfe von Google realisierte ich aber, dass er eine gewisse Größe in Japan zu sein scheint, die Alternative Rock mit Elektro mixt, und schon seit 1999 unterwegs ist. Ich finde, das erklärt ganz gut, warum der Soundtrack von »Eizouken« so abwechslungsreich und einfach verdammt gut ist. Alleine der erste Track auf der Album-CD, »Jacking the Sky!«, fängt etwas klassisch, epochal an, geht über zu typischer Visual-Novel-Hintergrundmusik und mischt das dann mit verzerrten elektrischen Klängen und E-Gitarre im Hintergrund. Am ehesten dürfte beim Schauen aber »Saikyo no Sekai« im Kopf bleiben – ein Track, der spielt, wenn unsere Hauptfiguren in ihre Fantasiewelt eintauchen. Der eindeutig von Shoegaze inspirierte Track ist auch echt geil, wird nur halt zu häufig benutzt. Gänsehaut löste bei mir aber »Cardboard Flying Man« aus – die Hintergrundmusik während des ersten Kurzfilms der Hauptfiguren. Der Track zieht mich mit seiner seltsamen, elektronischen Herangehensweise und seiner irgendwie düsteren Stimmung einfach in den Bann.

Was Performances angeht, feiern gleich zwei Sprecher unseres Hauptfiguren-Trios hier ihr Synchronsprechdebüt. Sairi Itou ist hervorragend als Asakusa, gerade mit ihrer etwas kratzigen Stimme, und dass sie es direkt bei ihrem ersten Auftritt schafft, eine ADHS-Figur so gut darzustellen, ist beeindruckend. Die andere Debütantin ist Misato Matsuoka als Tsubame. Da mir das aber null auffiel, ist eigentlich ein gutes Zeichen. Dass ihre Performance jetzt nicht super interessant war, lag wahrscheinlich am Material – immerhin ist Tsubame die glaubwürdigste Figur des Casts. Kanamori wird von Mutsumi Tamura gesprochen, die man eventuell als Kobayashi aus »Miss Kobayashi’s Dragon Maid« kennt. Da auch ihre Stimme etwas tiefer ist, ist nicht überraschend, dass sie häufiger Männer spricht. Bei Kanamori passt das wie die Faust aufs Auge. Ihr businessorientiertes Verhalten würde man aufgrund von sexistischer Stereotype wohl eher mit Männern verbinden. Speziell wenn Kanamori gereizt ist und sie ihre Stimme noch tiefer legt, erreicht ihre Performance ihren Höhepunkt.

Fazit

Handlung: Charaktere: Animation: Sound: Gesamt:
10 / 10 10 / 10 9 / 10 9 / 10 95 / 100

Ich bin froh, dass mir endlich ein Yuasa-Anime gefällt. »Keep Your Hands Off Eizouken!« ist einfach grandios gut. Es gibt schlicht nichts großartig zu kritisieren. Jede Sekunde hatte ich Spaß mit diesem Anime, da er mit herausragenden Figuren, einer wundervollen Optik, einem abwechslungsreichen Soundtrack und riesigem Nerdwissen zu Anime glänzt. Ich glaube, es gibt niemanden, den ich diese Serie nicht empfehlen würde. Wenn ihr die Review also bis hierher gelesen und die Serie noch nicht gesehen habt, ruft jetzt sofort Crunchyroll auf und schaut sie euch an. Danke schön!

Plus Minus
  • zynischer Note wirkt weitaus realistischer
  • experimentelle, expressive Animationsstile
  • experimenteller Soundtrack, der Alternative mit Elektro mischt

 

Ähnlich: FLCL, Shirobako

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Scroll to top